Um Material Compliance Regelwerke wie REACH, RoHS & Co. sicherzustellen, ist eines essenziell: Daten. Ohne Daten, keine Compliance. Diese müssen in der Lieferkette recherchiert und rechtskonform validiert werden. Ein probates Mittel, um die erforderliche Maßnahmen zu unterstützen, sind sogenannte Materialdatensysteme. Oftmals reichen gängige Systeme und Dienstleistungen zur (Material)Datenbeschaffung allerdings nicht aus, um eine hinreichend rechtssichere Umsetzung der Vorgabenkonformität zu belegen. Daher stellt sich die Frage, welchen Anforderungen ein Material Compliance Tool genügen muss, um für das Unternehmen Rechtssicherheit darzustellen?

Produktbezogene Regelwerke wachsen stetig in ihrer Zahl und formulieren – vor allem im Bereich der Material Compliance – weitreichende Vorgaben, welche produktseitig umzusetzen sind. Diese Vorgaben sind maßgeblich einzuhalten, um die Vertriebsfähigkeit des Produktes zu erhalten, wie auch um weitreichenden Haftungsrisiken zu minimieren. Zur Kontrolle der Umsetzung der Material Compliance Vorgaben im Produkt ist der Einsatz einer Kommunikationsplattform zur Hinterfragung der Vorgabenkonformität beim Lieferanten wie auch zur Konsolidierung und Darstellung der eigenen Produktkonformität unerlässlich. In diesem Feld haben sich im vergangenen Jahrzehnt einige Unternehmen fest etabliert – und es kommen immer wieder weitere dazu. Die produzierenden Unternehmen wie auch der Handel sind in den allermeisten Fällen kaum in der Lage, die geforderten Konformitätsnachweise mittels eigener Ressourcen darzustellen, weshalb sie Software-Anbieter und Dienstleister suchen, die sie in diesem Konformitätsprozess unterstützen können. Zum Leidwesen vieler Unternehmen ist die Anbieterlandschaft so heterogen wie die Anforderungen, welche aus dem Themenumfeld der Material Compliance erwachsen. Eine besondere Herausforderung hierbei ist es, die Spreu vom Weizen zu trennen, um zum einen die Konformität zu erlangen, aber auf der anderen Seite auch, um eine ressourcenschonende und wirtschaftlich sinnvolle Umsetzung zu implementieren.

Welchen Anforderungen muss eine Material Compliance Software genügen?

Der Gesetzgeber oder auch die Kunden formulieren allgemeinhin nur absolute Vorgaben. Dies könnte zum Beispiel sein, dass in einem Produkt eine Substanz, zum Beispiel Blei, verboten ist. Was jedoch nicht vorgegeben wird, ist, wie dieses Ziel zu erreichen ist beziehungsweise wann man genug getan hat, um dieses Ziel zu erreichen. Hierbei ist es jedem Beteiligten, ob nun Gesetzgeber, Vollzugsbehörden oder auch Kunden klar, dass es eine 100%-Lösung nicht geben kann. Dies birgt nun jedoch für den Hersteller oder Händler von Produkten ein sehr hohes Risiko. Nicht zuletzt deswegen, da hinter einer Missachtung einer materialspezifischen Vorgabe sehr oft ein beträchtliches Haftungsrisiko steht – mit weitreichenden unternehmerischen Konsequenzen.

Verdeutlichen lässt sich das sehr gut anhand eines kurzen Beispiels aus dem Handwerk. Ein Malerbetrieb bekommt von seinem Kunden die Vorgabe, eine weiße Wand grün zu streichen. Dies stellt den Maler nun vor mehrere Fragestellungen. Die erste ist die Wahl der Farbe. Dabei gibt es sowohl in der Qualität wie auch der Verarbeitbarkeit große Unterschiede, ebenfalls beim Preis. Danach wird entscheiden, in welcher Qualität die Arbeit ausgeführt werden soll. Beispielsweise kann der Betriebsleiter eine ungelernte Kraft, einen Gesellen oder Meister mit der Arbeit betrauen. Letztlich ist es auch entscheidend, wie oft die Wand gestrichen wird. Es versteht sich von selbst, dass das Ergebnis der Farbdeckung besser wird, je öfters die Wand gestrichen wird. Das Beispiel zeigt, die Qualität des Anstrichs der Wand ist abhängig von der Qualität und Verarbeitbarkeit der Farbe, der Qualifikation der Mitarbeiter, wie auch der Häufigkeit des Arbeitsvorgangs. All diese qualitativen Faktoren nehmen selbstredend Einfluss auf die Kosten des Auftrages.

Dieses Beispiel ist sehr gut auf die Situation der Unternehmen im Bereich der Material Compliance vergleichbar. Die Farbe stellt eine Analogie zu Material Compliance Vorgaben dar, welche über den Gesetzgeber, den Kunden oder auch den Markt formuliert werden. Die Farbvarianzen symbolisieren hier die Heterogenität der Vorgaben im Bereich der Material Compliance. Zur Veranschaulichung nachfolgend die Farbe Grün als Synonym für die REACH-Verordnung. Verantwortliche im Unternehmen müssen entscheiden, mit welcher grünen Farbe gestrichen wird, d.h. mit welchen Tools die REACH-Konformität sichergestellt wird, d.h. konkret mit welchem Kommunikationssystem die Hinterfragung der Compliance Einhaltung durch den Lieferanten stattfinden soll. Wie bei der Wahl der richtigen Farbe gibt es bei Softwaretools und deren Anbietern sehr weitreichende Unterschiede. Doch welche Anforderungen muss eine Material Compliance Kommunikationssoftware erfüllen und welche Funktionalitäten sollte sie haben, um Haftungsrisiken zu reduzieren?

  1. Integration der DIN EN IEC 63000

Ein fest formuliertes Muss ist die Umsetzung der IEC 63000, die u.a. den Stand der Technik zur Umsetzung von Material Compliance Regelwerken wie die RoHS und andere stoffrelevante Vorgaben darstellt und dabei eindeutig die Anforderungen formuliert, wie u.a.

  • Beurteilung der Datenqualität
  • eine regelmäßige Kommunikation zum Lieferanten inklusive Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Lieferanten
  • artikelspezifische Anfragen & Risikobeurteilung von Artikeln, für welche keine Daten vorliegen sowie
  • rechtssichere und reproduktionssichere Dokumentation.
  1. Einfache Bedienbarkeit und Transparenz

Die Qualität der Farbe besteht aber nicht nur in der Farbe als solches, sondern auch in der Verarbeitbarkeit der Farbe. Gleiches gilt auch für die Kommunikationsplattform. Die Kommunikationsplattform muss einfach zu bedienen und intuitiv zu verstehen sein, um mit minimalen Ressourceneinsatz ein vorgabenkonformes Ergebnis erzielen zu können. Eine Kommunikationsplattform darf keine intransparenten Lücken haben. Sowie eine grüne Wand kein diffuses Grün oder weiße Flächen haben darf, so darf es in innerhalb einer Material Compliance Kommunikationsplattform beziehungsweise innerhalb der Datendokumentation keine unbekannten Datenlücken geben. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, dass die Software die Datenqualität prüft und im Zweifelsfall den User informiert, dass es hier ein unklares Datenfeld gibt.

  1. Mitarbeiterqualifizierung und Lieferantenentwicklung

Wie exemplarisch beschrieben, ist neben der Auswahl der Farbe auch die Qualifikation der ausführenden Mitarbeiter immens wichtig für den Projekterfolg. Gerade dann, wenn die Arbeiten über einen Dritten ausgeführt werden. Mitarbeiter, sowohl die beim Kunden, als auch bei den Lieferanten, die die Kommunikationsplattform bedienen, müssen entsprechend geschult sein und kontinuierlich fortgebildet werden, um den an sie gestellten Anforderungen gerecht werden. Ein besonderes Augenmerk ist hierbei darauf zu richten, dass diese Mitarbeiter in die Rahmenbedingungen einer DSGVO eingebunden sind. Idealerweise bietet der Plattformbetreiber Weiterbildungs- und Schulungsmaßnahmen für alle Nutzer an – also sowohl für die Kunden als auch für die Lieferanten – und das in mehreren Sprachen. Versäumt ein Unternehmen, seine Mitarbeiter entsprechend zu qualifizieren, kann im Schadensfall, auch ein Organisationsverschulden Gegenstand des Verfahrens werden.

  1. Mehrstufiger Kommunikationsprozess und persönliche Lieferantenansprache

So entscheidend wie die Anzahl der Anstriche, ist die Anzahl und Ausgestaltung der Kommunikationsschritte, um einen qualitativ hochwertigen Datenrücklauf im Hinblick auf Lieferantenaussagen und Artikeldeklarationen zu gewährleisten. Die Qualität der eingehenden Lieferantenaussagen, ist in einer direkten Abhängigkeit zum Kommunikationsprozess zu sehen, welcher in der Material Compliance Software hinterlegt ist, aber vor allem auch von den Mitarbeitern unterhalten wird.

Wichtig für den Anbietervergleich: hier liegt einer der Hauptunterschiede in der Datenqualität begründet! Einige Anbieter von Material Compliance Kommunikationsplattformen bieten auch begleitende Datendienstleistungen an. Dabei entscheidend ist, gemäß welchem Prozess die Dienstleistung ausgeführt wird.  So gibt es Anbieter, die im Rahmen ihres Materialdatenservices lediglich einmal einen säumigen Lieferanten persönlich ansprechen, um diesen zur Datenübermittlung zu motivieren. Antwortet der Lieferant nicht, so ist der Kommunikationsprozess dennoch abgeschlossen und die Datendienstleistung gilt als erbracht. Eine erweiterte Kommunikation zum Lieferanten, welche nicht nur durch eine zwei- oder dreifache persönliche Ansprache geprägt ist, wie auch die Entwicklung des Lieferanten im Thema Material Compliance, ist in solchen Fällen kein Gegenstand der Dienstleistung. In Summe bedeutet dies, dass sowohl die Datenquantität wie auch die Datenqualität unzureichend ist. Bezogen auf das Malerbeispiel wäre der Malerbetrieb vorzeitig am Ende seiner Arbeit und er würde dem Kunden eine fleckige, mit weißen Stellen versehene, nur teilweise angestrichene Wand präsentieren. Trotz dieser offensichtlichen Unvollständigkeiten könnte er sein Kommunikationsprojekt vertragsgemäß abschließen, da der Kunde den Auftrag entsprechend vergeben hat.

  1. Abbildung des Stands der Technik

Es ist einleuchtend, dass eine solche Arbeit im Vergleich preiswert angeboten werden kann. Doch genügt das Resultat auch den Vorgaben des Kunden? Die Rechtsprechung ist hier eindeutig. Die gesamte Materialdatenkommunikation ist nur dann ausreichend, wenn der Stand der Technik umgesetzt wurde. Der Stand der Technik wird insbesondere in der unter 1. vorgestellten Norm DIN EN IEC 63000 beschrieben des Weiteren aber auch in:

  • Prüfleitfäden der Marktüberwachung
  • Stellungnahmen von Branchenverbänden wie dem VDMA, CIVD, Spectaris oder ZVEI
  • Rechtsprechung und vorliegenden Urteilen
  • Stellungnahmen von Versicherungen, die im Schadensfall die Umsetzung des Stands der Technik individuell prüfen und hiervon abhängig machen, ob und wieweit sie in den Schaden eintreten

So gelingt die Anbieterauswahl für eine langfristig zufriedene Partnerschaft!

Was bedeutet das nun für Unternehmen, die eine grüne Wand benötigen? Beurteilen Sie bei der Auswahl ihres Anbieters und Dienstleisters nicht nur die verwendete Farbe oder die Qualifikation der ausführenden Mitarbeiter, sondern vor allem auch die Anzahl der Bearbeitungsvorgänge. In Summe entscheidend ist die Qualität des Anstrichs, nicht großartige Vertriebspräsentation oder nicht dokumentierte Versprechungen und vor allem keine Niedrigpreisangebote. Ausschlaggebend ist, dass die Datenqualität und Quantität ausreichend ist, um die Vorgabenkonformität der Produkte gemäß Stand der Technik belegen zu können. Nur dann hat sich der Ressourceneinsatz gerechtfertigt und Haftungsrisiken können tatsächlich reduziert werden.

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